Sabine Dreher vom Main-Echo
im Gespräch mit Sebastian Frankenberger
am 13.12.2013
in Aschaffenburg
zum Artikel im Main-Echo

 

»Politik muss unabhängig sein«

Sebastian Frankenberger über Korruption in Deutschland und Versäumnisse im Koalitionsvertrag

Beraterverträge für Abgeordnete, sechsstellige Parteispenden von Unternehmern, gut bezahlte Firmen-Infostände bei Parteitagen - für Sebastian Fankenberger, Bundesvorsitzender der Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) ist dies mit ehrlicher Parlamentsarbeit nicht vereinbar. Der 32-Jährige hat am Mittwochabend in der Aschaffenburger Stadthalle vehement die Verflechtung von Politik und Wirtschaft kritisiert. Im Gespräch mit Main-Echo-Redakteurin Sabine Dreher erklärte er mögliche Auswege aus der Korruption.

War es schwer für Sie, einen Raum für den heutigen Vortrag zu finden? Seit dem Nichtraucher-Volksbegehren sind einige Gastwirte ja ziemlich schlecht auf Sie zu sprechen…
Es gibt keine Probleme mehr. Im Großraum München hat sich ein Verein maßgeblich dafür eingesetzt, dass ich in einer Gaststätte Hausverbot bekommen. Dagegen habe ich geklagt, das ist nun vom Tisch. Ich glaube, jetzt traut sich keiner mehr, mir Hausverbot zu erteilen.

Wie sehr haftet das Image des Nichtraucherschutz-Vorkämpfers noch an Ihnen?
Das wird ein Leben lang bleiben. Das Positive daran: Es verschafft mir einen gewissen Bekanntheitsgrad. Das Negative: Ich werde oft auf dieses eine Thema reduziert. Das macht es nicht immer einfach, neue politische Debatten anzustoßen.

Bei der Landtagswahl im September konnten Sie nicht mehr vom Erfolg des Nichtraucher-Volksbegehrens profitieren. Die ÖDP hat wieder nur rund zwei Prozent der Stimmen erhalten.
Wir haben mit mindestens drei Prozent gerechnet und auf die fünf Prozent gehofft. Besonders enttäuschend waren die Ergebnisse in Niederbayern: Die ÖDP hat ausgerechnet in der Donauregion Stimmen verloren, wo sie sich sehr für den Erhalt der freifließenden Donau stark gemacht hat. Aber dann hat im Wahlkampf Seehofer dieses Thema übernommen.

Die CSU ist nicht die einzige Partei in Bayern, die Themen der ÖDP besetzt hat. Die Freien Wähler (FW) haben inzwischen das Volksbegehren für sich entdeckt, mit dem sich bisher vor allem die ÖDP profilieren konnte…
… ja, Hubert Aiwanger hat gemerkt, dass man auch Volksbegehren nutzen kann, um Wählerstimmen zu gewinnen, anstatt Anträge im Parlament zu stellen.

Die FW waren mit ihrer Initiative gegen Studiengebühren erfolgreich, derzeit organisieren sie ein Volksbegehren für die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9. Kommen sich ÖDP und FW da nicht in die Quere?
Es ist richtig, dass ÖDP und FW eine ähnliche Wählerklientel haben. Ich würde mir sogar wünschen, dass wir bei den Volksbegehren enger zusammenarbeiten, so wie wir das gerade bei der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht tun - für die Abschaffung der Drei-Prozent-Klausel bei den Europawahlen. Wir unterscheiden uns aber insofern von den FW, als wir klare Programmaussagen machen und keine Wischi-Waschi-Politik verfolgen.

Ein weiteres Thema der ÖDP ist der Kampf gegen die Verflechtung von Politik und Wirtschaft. Der weltweite Anti-Korruptions-Tag am Montag ging an der öffentlichen Aufmerksamkeit vorbei. Warum?
Weil wir uns daran gewöhnt haben. Im Wahlkampf haben mir so viele Leute gesagt: »Ihr Politiker seid’s doch alle gleich.« Das sitzt so tief. Es ist so schwierig ihnen zu erklären, dass wir von der ÖDP es ganz anders machen. Die Korruption ist schon so sehr Teil des Alltags, dass selbst viele Politiker sie gar nicht mehr erkennen.

Zum Beispiel?
Das beginnt schon in den Kommunen, wenn Stadträte Freibiermarken fürs Volksfest oder Gratiskarten fürs Stadttheater erhalten. Die Legislative muss aber absolut unabhängig von der Wirtschaft sein, so wie wir es auch von der

 

Justiz oder der von der Exekutive erwarten. Stellen Sie sich den Aufschrei vor, den es geben würde, wenn Unternehmen den Richtern ihre Urteilssprüche empfehlen würden. Oder wenn die Polizei gesponsert würde.

Die ÖDP will hier Vorbild sein und nimmt keinerlei Spenden von Unternehmen an. Der finanzielle Nachteil wird es ihr aber wohl nie erlauben, mit den Parlamentsparteien mitzuhalten.
Deshalb fordern wir ein generelles Verbot von Konzernspenden für alle Parteien, eine Obergrenze für Privatspenden und ein Verbot bezahlter Nebentätigkeiten von Abgeordneten - und zwar aus Gründen der Chancengleichheit und der Demokratie. Wenn Abgeordnete ständig ihre Geldgeber im Hinterkopf haben, können sie nie eine Politik machen, in der der Mensch an zentraler Stelle steht. Und genau um den sollte es in der Politik doch gehen.

Sie wollen also den reinen Berufspolitiker.
Genau. Wenn ein Politiker seinen Job ernst nimmt, hat er eine 80-Stunden-Woche und ohnehin keine Zeit für weitere Tätigkeiten. Außerdem sollte es für den Wechsel von der Politik in die Wirtschaft eine gewisse Karenzzeit geben.

Noch sind solche nahtlosen Wechsel von Politikern auf gut dotierte Wirtschaftsposten nicht unüblich. Auch Bayerns Ex-Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) könnte einen neuen Job gebrauchen. Welche Stelle würden Sie empfehlen?
Das soll er selbst entscheiden, darüber möchte ich nicht spekulieren.

Was könnten Sie sich für Ministerpräsident Horst Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel vorstellen?
Seehofer wäre ein guter Märchenerzähler auf Bayern 2. Frau Merkel könnte… ach, wenn’s so weiter geht, werden wir sie in 50 Jahren noch als Kanzlerin haben. Ich gebe zu, nach den letzten Wahlen bin ich ein bisschen resigniert.

Im neuen, 185 Seiten starken Koalitionsvertrag ist dem Thema Abgeordnetenbestechung nur eine Zeile gewidmet.
Der Koalitionsvertrag hätte genauso gut von einem großen Konzern geschrieben sein können. Das ganze Werk bedeutet einen Rückschritt für Deutschland. Nehmen wir die Energiepolitik: Die Entwicklung in Richtung Umstieg auf erneuerbare Energien ist komplett gebremst.

Was hätte aus Ihrer Sicht noch hineingehört im Hinblick auf die Korruptionsbekämpfung?
Dass Deutschland endlich die UN-Konvention gegen Korruption ratifiziert, so wie es 168 Staaten bereits gemacht haben. Ein konkreter Vorschlag zur Trennung von politischem Mandat und Positionen in der Wirtschaft. Genaue Regelungen zur Verwendung von Fraktionsgeldern. So stellt sich doch die Frage: Haben die Abgeordneten überhaupt ein freies Mandat? Oder geht es im Bundestag nur noch ums Abnicken? Es wird doch gar nicht mehr um Gesetze gefeilscht. Das, was in vielen Städten und Gemeinden noch funktioniert, fehlt mir im Bundestag. Und noch mehr im Europaparlament.

Bei den Europawahlen im Mai kandidieren Sie auf dem zweiten Listenplatz für die ÖDP. Was bedeutet für Sie der mögliche Sprung vom Passauer Stadtrat zum Europa-Abgeordneten?
Ich bin schon froh, nicht mehr drei Stunden über die Verlegung eines Zebrastreifens diskutieren zu müssen. Ich fühle mich zwar nach wie vor als Kommunalpolitiker und der Stadt sehr verbunden. Aber ich will auch Visionen entwickeln: Wo wollen wir als Staat, als Gesellschaft hin? Dafür darf es gerne das Europäische Parlament sein.

Zur Person: Sebastian Frankenberger
Sebastian Frankenberger wurde 1981 in Passau geboren. Der heute 32-Jährige studierte zunächst Mathe und Physik auf Lehramt, dann katholische Theologie mit dem Berufsziel Pastoralreferent. Beides brach er ab und ließ sich 2007 in Österreich zum staatlich geprüften Fremdenführer ausbilden. Seit 2004 ist Frankenberger ÖDP-Mitglied. 2008 zog er für die ÖDP in den PassauerStadtrat ein; das Mandat legte er 2011 nieder, nachdem er 2010 zum ÖDP-Bundesvorsitzenden gewählt worden war. Bundesweit bekannt wurde er durch das 2009 von der ÖDP initiierte Volksbegehren »Für echten Nichtraucherschutz« in Bayern. (Sabine Dreher)


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